Glockenschachtfeld Scheid (Hilgert)

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Glockenschachtfeld Scheid
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Steckbrief
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Die Glockenschächte zwischen Hilgert und Ransbach-Baumbach

Betrachtet man den Waldboden zwischen Hilgert und Ransbach-Baumbach, so fallen zahllose Vertiefungen und Tümpel auf. Vom vorbeiführenden Weg aus betrachtet werden diese oft für Bombentrichter aus dem 2. Weltkrieg gehalten. Erst im digitalen Geländemodell erschließt sich die Vielzahl und Ausdehnung dieser Bodenstrukturen. Es sind Relikte des frühen Tonbergbaus im Kannenbäckerland: Glockenschächte.

Im Zentrum der Bergbaufläche fällt zunächst ein fast eben wirkender Bereich auf. Hier befand sich der Schwerpunkt des Abbaus. Im Laufe der Zeit sind die zahlreichen Schächte zusammengefallen und heute nicht mehr einzeln zu erkennen. Entstanden ist ein schützenswertes Biotop, das zudem forstgeschichtlich von Bedeutung ist, da es das Waldbild der für die Region typischen historischen Waldwirtschaftsform des Niederwaldbetriebes zeigt.

Im weiteren Umfeld sind in einem Kranz von bis zu 50 Meter Breite viele große Krater von über 2 Meter Durchmesser zu sehen. Der überwiegende Teil hat jedoch nur einen Durchmesser von etwa über einen Meter. Nur wenige Pingen (Einsturzlöcher der Schachtöffnungen) sind heute noch über einen Meter tief. Insgesamt konnten in dem Feld 259 Pingen festgestellt werden.

Die Lage der Tonabbaustätte war bereits in einer Forstkarte der Fürsten zu Wied aus dem Jahr 1776 eingetragen. Auch über die Verwendung des hier geförderten Tons gibt es Aussagen:
Ein Gutachten des Schultheis Gelhard aus Ransbach aus dem Jahr 1817 besagt, dass dieser ausschließlich zur Krugfabrikation genutzt wurde und nicht zur Kannen- und Pfeifenherstellung.

Die letztere Verwendung war bei den Handwerksbetrieben in den umliegenden Gemeinden allerdings verbreiteter. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschaffenheit des vor Ort gewonnenen Tons dafür nicht geeignet war. Die hergestellten Gefäße wurden als Wasserkrüge (Steinzeugflaschen) für die damaligen staatlichen Mineralbrunnen in Niederselters bei Limburg an der Lahn verwendet. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Steinzeug durch Glasflaschen für Mineralwasser ersetzt.

Das Glockenschachtfeld Scheid wurde von Birgit Heuser-Hildebrandt wissenschaftlich untersucht.


Abbau im Glockenschacht

Der Abbau in Glockenschächten war über Jahrhunderte die einzige Möglichkeit, Ton aus größeren Tiefen abzubauen. Zunächst wurde mit Hilfe einer Probebohrung eine Tonlagerstätte gesucht. War man erfolgreich, so begann man die oberen Erdschichten in einem bis zu 1,5 Meter breiten, runden Schacht abzutragen. Mit zunehmender Tiefe wurden die Wände mit einem Geflecht aus Weiden und Hainbuchenstangen stabilisiert und die Zwischenräume mit Reisig und Stroh ausgekleidet.
Erreichte man die Tonlagerstätte, so begann man den begehrten Rohstoff auch an den Wänden abzustechen. Hierdurch entstanden unterirdische, glockenförmige Aushöhlungen, die dieser Technik den Namen „Glockenschächte“ gaben. In Abhängigkeit von der Mächtigkeit der Deckschichten konnten die Kammern einen Durchmesser von über 20 Metern erreichen.

Ein Problem beim Abbau in Glockenschächten war die Arbeitssicherheit. Mit zunehmender Größe der Glocke wurde oft die Last der Deckschichten zu groß und brachte den Schacht schließlich zum Einsturz. Dabei wurden Arbeiter unter oft tonnenschweren Erdschichten begraben. Auch die Sauerstoffversorgung in den Schächten war vor allem im Sommer ein großes Problem. Die Arbeiter versuchten durch das Einleiten von Wasser und dessen Verdunstung einen Luftaustausch, also eine Bewetterung zu erzeugen. Dies brachte jedoch nur eine minimale Verbesserung. Erst ab 1860 begann man mit dem heute üblichen, großflächigen Tagebau. Ein moderner Abbau unter Tage wurde im Kannenbäckerland noch bis in die 1960er Jahre betrieben.

Transport des weißen Goldes

In den Glockenschächten wurde der Ton mit Spaten in Schollen gestochen und in Eimer zu einem Zentner Gewicht gefüllt. Die Kübel zog man mit einer Seilwinde, der Haspel, heraus. Zehn Zentner wurden auf einen Wagen oder Karren geladen.

Im 19. Jahrhundert erhielt ein Tongräber für einen Wagen zwischen 70 und 80 Pfennige Lohn. Mitte des 18. Jahrhunderts begann der Tonexport. Über angelegte Straßen, die Erdwege, wurde der Ton mit Ochsen- oder Pferdekarren zu den Umschlagplätzen in den Rheinhäfen in Vallendar und Bendorf gebracht. Für eine Schiffsladung von 150 Tonnen waren ca. 300 Karren erforderlich. Ab 1884 wurde der Ton dann überwiegend mit der damals neu errichteten Eisenbahn abtransportiert. Dies wird bis heute zum großen Teil so beibehalten.

Verwendete Literatur:
(vgl. Heuser-Hildebrand, B.: Auf den Spuren des historischen Tonbergbaus im Kannenbäckerland, Mainz 1995.)

Fotos vom Glockenschaftfeld Scheid (Hilgert)