Grube Ferdinand (Neustadt/Wied)

Aus QR-KULTUR
Version vom 22. Juni 2022, 14:15 Uhr von Mantomedia (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche
Grube Ferdinand (Neustadt/Wied)
GeoTop im
Nationalen GEOPARK Westerwald-Lahn-Taunus
Die Karte wird geladen …
Steckbrief
Abgebaute Erze: Braun- u. Spateisenstein,
Kupfererze
Erste Verleihung: 1775
Gesamtteufe: ca. 250 m
Gesamtförderung: ca. 200.000 t
Erster Tiefbau: 1911
Belegschaft: bis zu 303 Mann
Stilllegung: 1924
direkter QR-Code zum Beitrag
www.qltr.de/qrka0044

HINWEIS: In der Kategorie "Grube Ferdinand (Neustadt/Wied)" finden Sie weitere Artikel und Literaturhinweise.


Ein modernisiertes Bergwerk und die ausbleibenden Erze

Beginn des Bergbaus auf dem Grübelsberg wurden verschiedene kleine Bergwerke betrieben. Im Nordwesten des Höhenrückens waren dies die Gruben „Edles Grübchen“, „Unterer Grübelsberg“ und „Oberer Grübelsberg“. Im Südwesten lagen die Gruben „Gähnen“, „Sonnenberg“, „Unterer Rübenhahn“ sowie „Oberer Rübenhahn“ und die „Dasbachergruben“. Zwischen diesen Abbaugebieten befand sich zudem noch die „Grube Fuchskaule“, die später zunächst ein eigenständiger Betrieb blieb.

Die älteste bisher bekannte Verleihungsurkunde war für die Grube „Unterer Grübelsberg“ im Jahr 1775 erteilt worden. Spätestens 1794 wurde die Altenhütter Gewerkschaft (die Familien Remy und Freudenberg) Eigentümer und verhüttete die geförderten Erze auf der sogenannten „Alten Hütte“, der Borscheider Hütte. Der Bergbau wurde zu dieser frühen Epoche wohl nur in kleinen Schächten und oberflächennah betrieben. Gefördert wurde überwiegend Brauneisenstein und etwas Kupfererz.

Konkurrenzdruck durch importiertes Eisen

Im Jahr 1842 beantragen die Bergwerkseigentümer Remy und Freudenberg beim Fürstlich Wiedischen Bergamt in Neuwied die Stilllegung zahreicher Bergwerke in der Region. Grund war der zunehmende Konkurrenzdruck durch zollfreie Importe von englischem Eisen. Technische Neuerungen ermöglichten in England nun eine Massenproduktion. Die Preise auf dem europäischen Markt fielen deutlich und die heimischen Hüttenbetriebe und auch die diesen das Erz liefernden Bergwerke konnten dieser Konkurrenz nicht mehr standhalten. Das Bergamt stimmte jedoch nicht zu.

In der Folge beantragten die Eigentümer Remy und Freudenberg, die Gruben am Grübelsberg zur effizienteren Betriebsführung in einen Betrieb zusammenzulegen. Aufgrund der großen Entfernung beschloß man jedoch, die nördlichen Gruben unter dem Namen „Grube Ferdinand“ und die südlichen Bergwerke unter dem Namen „Grube Wilhelm“ zu konsolidieren.

Bis zum Jahr 1870 wuchs die Belegschaft auf Grube Ferdinand auf einen Steiger und zehn Hauer an.

Die Gutehoffnungshütte Oberhausen

Am 5. Mai 1872 ging die Grube Ferdinand in den Besitz der „Actiengesellschaft Gutehoffnungshütte, Actienverein für Bergbau u. Hüttenbetrieb zu Sterkrade“ über. Anschließend nahmen die Förderzahlen schnell zu. Im Jahr 1873 wurden 5.855,5 Tonnen Eisenerze gefördert. 1874 waren 42 Bergleute auf Grube Ferdinand beschäftigt.

Politische Umbrüche, Transportprobleme, vor allem während der Kriegsjahre, und fehlende Absatzmärkte zwangen die Gutehoffnungshütte jedoch zu einer Reduzierung der Bergbautätigkeiten. Ab 1886 kam der Betrieb fast vollständig zum Erliegen. Schließlich wurden 1894 die Gruben Ferdinand und Wilhelm stillgelegt.

Die Wiederinbetriebnahme

1911 begann man die Grube Ferdinand erneut zu ertüchtigen. Von Roßbach aus sollte ein Wasserlösungsstollen vorgetrieben werden, um das Bergwerk auf dem Niveau der Wied zu entwässern. Diese Plan wurde jedoch nich abgeschlossen.

1913 waren bereits 25 Mann mit der Ertüchtigung des Bergwerks beschäftigt.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges

Bereits am ersten Mobilmachungstag war der Betriebsführer Münker zum Militärdienst eingezogen worden. Wegen fehlender Bergleute wurde die Grube Ferdinand im August 1914 erneut stillgelegt.
Die verbliebenen über 600 kg Sprengstoff im neuen Dynamitraum konnte nicht abtranspotiert werden und mussten daher vor Ort streng bewacht werden. Der eingezogene Betriebsführer wäre die einzige hierfür qualifizierte Aufsichtsperon gewesen.

Die „Erznot“ bringt die Betriebserweiterung

Münker wurde schon wenig später wie vom Kriegsdienst zurückgestellt und nahm seine Arbeit wieder auf. Der Krieg hatte einen hohen Bedarf an Eisen hervorgerufen, der nun gedeckt werden musste. Im Juli 1915 begann man daher mit dem Ausbau der Grube Ferdinand. Bis Ende 1915 wurde ein neuer Maschinenschacht um 90 Meter abgeteuft, sowie ein Schalthaus, ein Maschinen- und Kompressorhaus sowie sonstige Betriebsgebäude errichtet.Zudem wurde das Schachtgerüst und zwei Röstöfen nahezu fertiggestellt.

Der Förderbetrieb war bereits im April 1916 geplant, die Seilfahrtgenehmigung wurde jedoch erst im November erteilt. Die Belegschaft wuchs auf 195 Bergleute und die jährliche Förderung erreichte 28.322 Tonnen Eisenerz.
Der Schacht wurde bis auf 132 Meter abgeteuft. Über Tage wurde eine elektrische Förderanlage und ein elektrischer Kompressor aufgestellt. Zudem wurden eine Seilbahn, das Maschinenhaus, die Werkstatt und drei weitere Röstöfen fertiggestellt.
1917 erreicht der Maschinenschacht eine Teufe von 150 Metern. Die Belegschaft wuchs auf 303 Mann und die Jahresförderung lag bei über 45.000 Tonnen Eisenerz. Zur Belegschaft gehörten offensichtlich auch 150 Kriegsgefangene, die bisher im Betriebsgebäude untergebracht waren. Für diese wurde nun eine neue Holzbaracke errichtet. Für „auswärtige freie Arbeiter“ wurde ein Ledigenheim gebaut. Zudem wurde eine magnetische Rostspataufbereitung in Betrieb genommen. Im Jahr 1918 konnte die Fördermenge noch einmal auf 56.400 Tonnen gesteigert werden.

„Seilbruch auf Grube Ferdinand“ im Jahr 1919 - ein Terroranschlag?

Am 24. Januar 1919 waren morgens um 4.00 Uhr, vor Schichtende, die letzten beiden vollen Förderwagen zu Tage gebracht worden. Gegen 5.30 Uhr wurde vor der Frühschicht mit der üblichen Schachtrevision begonnen. Ein Zimmerhauer fuhr hierzu mit dem unteren Korb, der sich auf der 150-Meter-Sohle befand, nach oben und sollte hierbei den Schacht kontrollieren. Kurz vor der 90-Meter-Sohle machte sein Förderkorb „plötzlich und unerwartet“einen Satz von mehreren Metern nach oben und blieb stehen. Im Schacht entstand ein „atemberaubender Luftzug“ und der zweite Förderkorb im Nebentrum sauste in die Tiefe und schlug im Schachtsumpf auf.

Das plötzliche Bremsen des Korbes war vom Maschinisten über Tage ausgelöst worden. Dieser war „durch einen heftigen Aufschlag auf das Dach des Maschinenhauses und durch eine größere Störung in der Lichtleistung aufgeschreckt worden“ und hatte sofort die Notbremsung ausgelöst.
Bei einer Unfallermittlung wurden die durch den Zwischenfall entstandenen Schäden untersucht und eine Skizze angefertigt. Den herabgestürzten Korb fand man nur leicht beschädigt auf dem Grunde des Schachtes. Offensichtlich hatten die Fangklauen, die normalerweise ein Herabfallen verhindern sollen, erst kurz vor dem Schachtende ausgelöst, so dass der Korb nur leicht beschädigt war.

Über Tage waren die Schäden jedoch beachtlich. Ein Teil des gerissenen Seils lag „mit völlig zerfetztem Ende auf dem Dach des Maschinenhauses und hatte das Dach durchschlagen und die vorbeiführende Lichtleitung zerstört.“ Ein zweites Seilstück von etwa 3 Metern Länge hing auf Höhe der Hängebank auf einer Strebe des Schachtgerüstes (bei g). Der über der Seilscheibe stehende Galgen und ein Teil des Geländers waren zerschlagen und herabgestürzt.

Im Rahmen der Untersuchung wurde über das zweifache Reißen des Förderseils spekuliert, da ein 3 Meter langes Stück des Seiles herausgetrennt war. Man fand heraus, dass die Bruchstelle zum Zeitpunkt des Unglücks über Tage gewesen sein musste. Eine Ursache konnte jedoch aus technischer Sicht nicht abschließend nachgewiesen werden.

Somit wurde eine weitere Ursache untersucht. Im Unfallbericht wurde auf die „Zusammensetzung der Belegschaft, welche, wie 2 kürzliche Attentatsversuche auf die Behausung des Obersteigers beweisen, recht zweifelhafte Mitglieder zählt,“ eingegangen. Diese Möglichkeit eines „Terroranschlags“ wurde aber wieder verworfen, da die Bruchstellen der Seile zum Zeitpunkt des Unfalls nicht direkt zugänglich waren. Eine abschließende Ursache für den Seilbruch konnte jedoch nie gefunden werden.

Am 20. Februar 1920 sollte erneut das Förderseil reißen. In diesem Fall hatte der Maschinist einen Bedienfehler begangen. Beim Herabstürzen lösten diesmal die Fangvorrichtungen am Korb aus.

Bei beiden Unfällen kamen keine Menschen zu Schaden!


Das Fehlen neuer Erzvorkommen

1919 brachte eine rapide Verschlechterung der Erzvorräte, die Förderung sank auf nur noch 13.910 Tonnen. Ein Grund dafür waren unter Anderem „große und schwer zu bewältigende Wasserzuflüsse“ im Maschinenschacht. Die 1920 angesetzte neue 250 Meter-Sohle erbrachte keine Verbesserung. Die Erzvorkommen waren weitgehend nicht abbauwürdig. Umfangreiche, erfolglose Untersuchungsarbeiten in den folgenden Jahren konnten die endgültige Schließung der Grube Ferdinand im November 1924 nicht verhindern.

Insgesamt wurden auf Grube Ferdinand über 200.000 Tonnen Eisenerz gefördert. Die Tagesanlagen wurden nach nur 8 Jahren Betriebszeit wieder fast vollständig abgerissen. Heute sind nur noch das Schalthaus und das Betriebsgebäue erhalten geblieben.


Literaturverzeichnis

Archiv Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz, Betriebsakten der Grube Ferdinand


Verfasser: Christoph Eul
Stand: 3/2022