Grubenanschlussbahnen im Kreis Altenkirchen

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Erzfahrer auf Grube Bindweide (Fotograf unbekannt)

Mit dem Eisenbahnbau durch das Sieg- und Hellertal in den Jahren 1860/61 und später mit dem Bau der Nebenbahnen bot sich für die Eisenerzgruben im Kreis Altenkirchen eine neue und vielversprechende Transportmöglichkeit an. Bevor die Eisenbahnen das Land durchzogen, mussten die Grubenbesitzer für den Eisenbahntransport weite und schwierige Wege in Kauf nehmen, was sich produktionshemmend und verteuernd auswirkte. Die Erzgruben im Raume Horhausen z.B. fuhren den Eisenstein bis zur Sayner Hütte bei Bendorf am Rhein. (s. Anmerkung 1)

Nun, da die Eisenbahn in der Nähe war, verkürzten sich die Anfahrwege im Fuhrwerksbetrieb, aber die Fuhrlöhne und teilweise auch die Wegeunterhaltung zur Bahnstation waren immer noch recht kostspielig. So musste z.B. die Fa. Krupp den Eisenstein von ihrer Grube Bindweide von Steinebach über Elben und Steineroth zum Bahnhof Betzdorf mit Pferdefuhrwerken befördern und erhebliche Summen für den Wegebau, vor allem von Steinebach nach Elben, investieren. (s. Anmerkung 2)

Soweit das Gelände es zuließ, ging man deshalb daran, meist schmalspurige Bahnen von den Gruben zu den nächsten Eisenbahnstationen anzulegen. Man wählte eine schmale Spur, weil die Baukosten wesentlich geringer waren. Am Umladebahnhof wurden die erzbeladenen Kipp- und Sattelwagen von höher gelegenen Sturzhüben aus in die normalspurigen Staatsbahnwagen entleert. Auf der Rückfahrt nahm man Kohle, Holz und andere Bedarfsgüter mit.

Die ersten Grubenbahnen

Die ersten Grubenbahnen waren sogenannte Pferdebahnen. Die auf Schienen rollenden Wagen wurden in Steigungen und in der Ebene von Pferden gezogen. Im Gefälle wurde der Zug von Bremsern abgebremst. Viele Gruben gingen aber bald zu mechanischen Antriebsmitteln über. Zunächst waren es Dampflokomotiven und später (etwa ab 1910) neben den Dampfloks/Benzollokomotiven und dann (etwa ab 1930) Diesellokomotiven, welche die Erzzüge zogen. Der nicht ungefährliche Bahnbetrieb wurde durch besonders erlassene Polizeireglements und Polizeiverordnungen geregelt.

Die erste der 13 Grubenbahnen im Kreis wurde 1862 als Pferdebahn von der Grube San Fernando zum Bahnhof Herdorf gebaut. Eine Besonderheit wies die in Herdorf beginnende Kunstertalbahn auf: Ein 200 m langer, besonders steiler Streckenabschnitt wurde im Zahnradbetrieb bewältigt.

Grubenanschlussbahnen im Überblick

Die nachstehende, nach Entstehungsjahren gegliederte Übersicht der Grubenbahnen im Kreis enthält auch die im Kreis beginnende Kunstertalbahn und die im Kreis nur endende Grubenbahn von Grube Storch & Grube Schöneberg. (s. Anmerkung 3)

Lfd. Nr. Von Grube zu Bahnhof Als Pferdebahn Als Dampfbahn Länge in m Spurweite in mm Stillgelegt
1 San Fernando - Bf. Herdorf 1862 1872 2800 785 1964
2 Vereinigung - Wissen 1864 1873 14300 942 1960
3 Ecke / Zeche / Apflebaum - Bf. Brachbach 1872 - 1600 535 (1925)
4 Storch & Schöneberg - Bf. Niederschelden 1872 1877 5520 800 (1942)
5 Eupel - Bf. Niederhövels 1872 1928 D 840 600 (1964)
6 Kunst - Bf. Herdorf 1864 ? 1881 2400 850 1926
7 Bindweide - Bf. Scheuerfeld - 1883 8100 1000 1912
8 Louise- Bf. Seifen - 1883 6000 1000 1912
9 Eisenhardt - Bf. Wisserhof - 1887 - - n. 1900
10 Fischbacherwerk - Bf. Niederfischbach - 1887 3250 750 (1903)
11 Emma / Gute Aussicht - Bf. Neitersen 1900 - 800 600 (1911)
12 Eiserne Hardt - Bf. Schutzbach - vor 1913 1400 B 600 (1924)
13 Silberwiese - Bf. Oberlahr - 1910 2050 600 (1941)

B = B Benzollok; D = Diesellok; (1941) = Jahr der Stilllegung der Grube

Andere Gruben in der Nähe der Eisenbahn bauten normalspurige Anschlussgleise. Das Transportgeschäft zwischen Grube und Bahn übernahm dann die Eisenbahn. Die Grube selbst hatte also weder eigene Lokomotiven noch eigene Wagen für das normalspurige Anschlussgleis. (s. Anmerkung 4)

Lfd. Nr. Von Grube zu Bahnhof oder freier Strecke Anschluss erbaut Anschluss stillgelegt
1 Friedrich - Bf. Niederhövels 1866 1938
2 Füsseberg - Bf. Biersdorf 1886 1965
3 Glücksbrunnen - bei Junkerthal 1887 1930
4 Frosch / Wilhelmine - freie Strecke wie vor 1888 1928
5 Bollnbach - Bf. Herdorf 1898 1926
6 Hollertzug - freie Strecke Sassenroth 1900 1910
7 Wolf - Bf. Herdorf 1917 1935

Viele Millionen Tonnen Eisenerz haben diese kleinen Bähnchen zur Weiterbeförderung von den Gruben zur großen Schwester Eisenbahn gebracht, und viele Millionen Tonnen sind von den Anschlüssen abgeholt worden. Einige Grubenanschlussbahnen erreichten infolge von Erschöpfung oder Unrentabilität ihrer Gruben kein hohes Alter. Mit dem Niedergang der Eisenerzförderung im Siegerland in den 50er und 60er Jahren kam auch das Ende der letzten Grubenanschlussbahnen. Das vertraute Bimmeln und Schnaufen der kleinen Lokomotiven ist für immer verstummt.

Anmerkungen des Autors:

I) 1865 erwarb die Fa. Friedrich Krupp die Sayner und Mülhofener Hütte. Gleichzeitig kaufte sie die kgl. Eisenengruben bei Horhausen (Abt. der Kgl. Reg. in Koblenz. Jg. 1865 Nr. 337). Vgl. auch „Auf Steinstraßen rollte das Eisen" in Rhein-Zeitung vom 14. Januar 1987.


Literaturhinweis von QR-Kultur: Das Bemühen der Firma Krupp (Essen) um die Ausweitung ihrer Erzbasis im Raum Horhausen



2) Vgl. Merzhäuser, W., Die Westerwaldbahn, Freiburg 1986, S. 10.

3) Die Daten sind aus unterschiedlichen Quellen ermittelt, z.B. aus Amtsblättern der Kgl. Regierung zu Koblenz, LHA Koblenz 441/25911-912 und 26'001-006.

4) Zur Begriffsbestimmung „Anschlußbahn" vergl. Engelbrecht, A., Die Anschlussbahn, Düsseldorf 1967, S. 10 • 12. Die Daten in der Aufstellung fußen auf Angaben in Amtsblättern der Kgl. Reg. zu Koblenz und LHA 441 /26001-005. Wenn das Jahr der Stilllegung des Anschlusses nicht näher bekannt war, wurde das Jahr der Grubenstillegung eingetragen.

Quelle: W. Merzhäuser: Grubenanschlußbahn im Kreis Altenkirchen, in: Heimat-Jahrbuch des Kreises Altenkirchen und der angrenzenden Gemeinden, Altenkirchen 1994, S. 167- 169