Neugrünebacher Hütte (Grünebach)

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Neugrünebacher Hütte
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Steckbrief
Gründung: 1738
heutige Nutzung: Gewerbebetrieb
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1738 – der Beginn

Im Jahr 1738 wurde im Oberamt Freusburg der Grafschaft Sayn-Altenkirchen die Neugrünebacher Hütte direkt an der Heller erbaut.
Gründer waren 50 Einheimische, die nach der Saynischen Hüttenordnung die Hütte an 72 Tagen im Jahr betreiben durften. 1741 wurde die Hütte aus herrschaftlichem Besitz verkauft. Als Rohstoffe dienten die in der Umgebung in zahlreichen Bergwerken gewonnenen Eisenerze und Holzkohle, die in den umliegenden Haubergen meist aus Eichenholz erzeugt wurde. Für einen Zentner Eisen benötigte man dabei drei bis vier Zentner Holzkohle und für einen Zentner Holzkohle etwa fünf Zentner Holz.

Die Wasserkraft war zu jener Zeit der wichtigste Energieträger und so verwundert es nicht, dass die Betriebszeiten für Hütten und Hämmer den jeweiligen Wasserverhältnissen angepasst wurde.
Man teilte diese so auf, dass sich Hütten- und Hammerwerke nicht gegenseitig das Wasser wegnahmen und dadurch behinderten:

Die Hüttenwerke arbeiteten von gleich nach Ostern bis sechs Wochen danach, die Hammerwerke von Pfingsten bis Michaelis. Es folgten wieder die Hüttenwerke von Michaelis bis Weihnachten und erneut die Hammerwerke von Weihnachten bis Fastnacht. Die Dauer des ununterbrochenen Betriebs eines Schmelzofens wird „Hüttenreise“ genannt.

In sehr wasserreichen Jahren und wenn die Besitzer – Gewerken genannt – Gelegenheit hatten, zusätzliche Holzkohle zu beschaffen, war es auch gestattet, länger zu verhütten. Die Verlängerung der privilegierten Jahresarbeitszeit – die „Nachreise“ – bedurfte jedoch der ausdrücklichen Genehmigung des Landesherren.

Das Los bestimmt

Jeder Gewerke betrieb den Ofen während der ihm anteilsmäßig zustehenden Hüttenzeit auf eigene Rechnung. Das Erz und die Holzkohle brachte er auf Karren mit seinen Fahrkühen zu seinem Lagerplatz. Die Reihenfolge des Hüttens wurde durch Los bestimmt. Glockenschlag 12 um Mitternacht erfolgte der Wechsel. Dieses „Zeithütten“, unterschiedliche Erzqualitäten und nicht zuletzt die durch Erbteilung auftretende Zersplitterung des Besitzes erschwerten diese Art des Hüttenbetriebes immer mehr. Aus Hüttentagen wurden Stück- (der Tag zu vier Stücken), Stunden-, ja sogar Minutenanteile.

Die Neuzustellungen (d.h. die Erneuerung der feuerfesten Auskleidung des Hochofens), das brennstoffaufwendige Anblasen sowie das unergiebige Ausblasen des Ofens wurden neben weiteren „Samttagen“ von allen Gewerken gemeinsam bestritten. Die Leistung des Hüttenschulzen wurde durch einen „Hüttenschulzentag“ abgegolten, wobei dieser Holzkohle und Erz selbst bereitstellen musste.

Die Rechtsform einer Gewerkschaft mit ihren starren Vorschriften und Sonderrechten war zweifellos nicht die zweckmäßigste für einen Hüttenbetrieb. Erst im Jahre 1805 trat eine Änderung ein, als mit landesherrschaftlicher Genehmigung der Ankauf der Erze für alle Gewerken gemeinsam durch den Hüttenschulzen vorgenommen wurde, an die Stelle des „Zeithüttens“ das „Gewichtshütten“ trat. Nun fiel die Gesamtproduktion den Gewerken gemäß ihren Anteilen zu. Die Zeit war vorbei, wo sich jeder mit dem Hüttenschulzen gut stellen musste, damit dieser eine notwendige Reparatur nicht gerade in seine Hüttenzeit legte.

Technische Neuerungen

Im 19. Jahrhundert begannen für die Eisenindustrie im Siegerland entscheidende technische Weiterentwicklungen. Die Hütte erhielt 1878 ihr erstes Dampfgebläse und mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Deutz - Gießen im Jahr 1861 begann die wesentlich effizientere Verhüttung der Eisenerze mit Koks aus dem Ruhrgebiet, die in England schon im späten 18. Jahrhundert üblich war.

Um 1900 erzeugten etwa 20 Arbeiter jährlich knapp 6.000 t Spezialroheisen. 1912 wird im Vertrag des Roheisenverbandes der Begriff „kalterblasenes Siegerländer Spezialroheisen“ festgelegt. Er stand ausschließlich für das von der Niederdreisbacher, Neugrünebacher, Alten Herdorfer und Birlenbacher Hütte erzeugte Spezial-Roheisen. Diese nannte man auch die „romantischen“ Hütten oder „Apothekerhütten“. Während eigentlich nur immer größere Werke am Markt blieben, überlebten die vorgenannten gerade wegen ihrer Kleinheit. Denn sie konnten Kundenwünsche in kleinen Mengen mit „apothekerhafter“ Genauigkeit erfüllen.

Aus 72 Hüttentagen waren längst 365 Arbeitstage im Jahr geworden. Ein solcher Arbeitstag bestand um 1912 aus zwei Schichten je 12 Stunden und sonntags einer Wechselschicht aus 24 Stunden. Nur noch etwa alle sieben Jahre kam es durch eine Neuzustellung des Hochofenmauerwerks zu einem Stillstand.

1934 ging die Neugrünebacher Hütte in den Besitz der Niederdreisbacherhütte über und gehörte damit zur Lübecker Firmengruppe Possehl. Der Produktionssteigerung nach dem Zweiten Weltkrieg folgten durch veränderte Marktbedingungen sorgenvolle Jahre des Absatzrückganges. Immer mehr Hochöfen und Gruben stellten den Betrieb ein. Am 12. Juli 1963 wurde der Hochofen in Grünebach endgültig ausgeblasen und stillgelegt. Der historische Hochofen mit Raugemäuer wurde glücklicherweise nicht abgebrochen und 1983 unter Denkmalschutz gestellt.

Verfasser: Christoph Eul und Roger Lang