St. Mariä Himmelfart (Neustadt/Wied)

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St. Mariä Himmelfahrt (Neustadt/Wied)
Station an der
Georoute Im Tal der alten Hütte
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Steckbrief
Gebäude: Kapelle
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Sandstein für ein Gotteshaus

Die Kapelle zu den drei Schlägen

“In den Jahren, als der große Krieg in Deutschland wütete, standen oben auf der Höhe, im heutigen Fernthal, keine Häuser. Nur unten im Thale, am Wasserloch, duckten sich, strohgedeckt und moosbewachsen, zwei, drei Hütten, gleichsam Schutz vor den Unbilden der Witterung suchend. Arm und dürftig lebten ihre Bewohner dahin. Weit und beschwerlich war der Weg zur nächsten Kirche. Deshalb hatten die Menschen oben auf dem Hang, nahe der heutigen Straße, einen Bildstock aufgerichtet, hatten in ihm das Bild Marias mit dem toten Sohne aufgestellt und ein Glöcklein aufgehängt, das die Zeiten rief und zum Gebete mahnte. Und nun war der Krieg auch in die stillen Täler des Waldes gezogen.

Ein Köhler, der des Weges kam hatte diese Nachricht mitgebracht und vermeldet, dass die Schweden das benachbarte Ehrenstein berannt und ausgeplündert hätten. Erschreckt eilte alles auf die Höhe, um in Richtung des rauchenden Ehrensteins auszuspähen. Angst und Furcht bemächtigte sich der Menschenherzen, und gläubigen Sinnes suchten sie im Gebete Schutz und Hilfe vor dem Bilde der Gottesmutter im Bildstocke.

Getröstet gingen sie wieder ihrer Tagesbeschäftigung nach und die Nacht sah die Müden in tiefem Schlummer. Nur einem alten Mütterchen wollte er nicht nahen. Betend saß es auf seinem Lager und horchte hinaus in das Geräusch der Nacht. - Was war das? klang dort nicht das Glöcklein?! Es lauschte schärfer - und wieder der gleiche Klang. Seine zitternd-hastige Stimme rief die Menschen die schlaftrunken emporfuhren. Man wollte fragen, Erklärung heischen - doch da wimmerte das Glöcklein zum drittenmal. Hinauseilend, hörten sie auch schon das Nahen der wilden Soldateska. Das Notwendigste zusammenraffend, das Vieh aus dem Stalle treibend, so flohen die Gehetzten in den nahen Busch.

Der Schwedentrupp stand vor leeren Räumen und ließ seiner Wut Lauf, indem er zerstörte und verbrannte. Vor den niedergebrannten Resten ihrer Wohnungen standen am anderen Morgen die wiedergekehrten, verängstigten und fröstelnden Menschen. Groß war der Schmerz der Armen, aber er wurde gemildert, durch den Gedanken an die wunderbare Rettung aus roher Schwedenhand. An die Stelle, an der der Bildstock gestanden, erbauten darauf die dankbaren Bewohner eine aus Stein gemauerte Kapelle, die seitdem den Namen führte: Kapelle zu den drei Schlägen“.

So lautet eine Sage, welche die Ursprünge der Fernthaler Kapelle durch die Ereignisse des 30-jahrigen Krieges (1618-1648) erzählt - und gleichzeitig auch den noch heute bei vielen gebräuchlichen Namen Dreischläg für den Ort Fernthal erklärt. Wie so oft ist die historische Wirklichkeit deutlich profaner.

Geschichtliches zur Fernthaler Kapelle

Nach Aufzeichnungen in der Pfarrchronik wurde die Erstlingskapelle in Fernthal im Jahr 1683 errichtet. Sie wurde vom „Sendscheffe“ Hans Peter und dessen Brüdern aus Neschen mit der Bestimmung gestiftet, dass in dieser „am tage der heimsuchung und präsentation unser lieber frawen ebe auf magdalenentag mesz gehalten werden solle“.
Diese Kapelle stand, wie aufgefundene Fundamentreste belegten, auf der gegenüberliegenden Straßenseite des heutigen Gotteshauses. Unter Pfarrverwalter Schild wurde 1856 dann der Vorgängerbau der jetzigen Kapelle an diesem Standort erbaut. Dieser erwies sich jedoch rasch als zu klein, so dass man ihm zunächst einen hölzernen Vorbau gab. Dennoch waren die Platzverhältnisse weiter beengt und im Winter war wegen der Kälte oft kein Gottesdienst möglich. Man begann daher, Überlegungen für einen Neubau anzustellen.

Im Jahr 1910 wurde schließlich ein Kapellenbauverein gegründet. Die Baukosten wurde durch Spenden aus der Bevölkerung und mit einem Darlehen über 6000 Mark finanziert. Am 30. April wurde der Kapellengrundstein gelegt. Zu diesem Anlass kamen 1000 Mark an Spenden der „opferbereiten Gläubigen“ zusammen. Am 11. August 1912 wurde die neue Kapelle feierlich eingesegnet. Heute ist sie wie damals schon eine Filial-Kapelle der katholischen Pfarrgemeinde Neustadt.

Einheimische Baumaterialien

Für das Gotteshaus wurden heimische Baumaterialien verwendet. So besteht der Sockel der Kapelle aus Basalt, der mit großer Wahrscheinlichkeit aus den Steinbrüchen bei Manroth bzw. Jungfernhof stammt.
Das aufgehende Mauerwerk besteht aus einem grauen bis gelblichen Sandstein. Dieser stammt aus dem Steinbruch „Im Fahrhon“ bei der nahe gelegenen Neumannshöhe und aus einem Bruch zwischen Funkenhausen und Breitscheid („Hardt“). Das Dach der Kirche wurde mit Schiefer gedeckt, ebenfalls ein heimischer Rohstoff, der z. B. bei Linkenbach oder an mehreren Stellen im Wiedtal gewonnen wurde.

Sandstein - ein beliebter Baustoff

Neben dem im Westerwald nahezu allgegenwärtigen Basalt ist insbesondere der Sandstein als Baumaterial vieler älterer Gebäude in der Region verbreitet. Sandsteine lassen sich meist gut verarbeiten. Um als Werkstein genutzt werden zu können, ist allerdings das Auftreten homogener, mächtiger Sandsteinbänke Voraussetzung. Solche Sandsteinbänke kamen in der Umgebung in offensichtlich ausreichender Menge vor, so dass man an diesen Orten zahlreiche, aber meist kleine Steinbrüche anlegte. Doch was ist Sandstein überhaupt?

Die Korngröße macht´s!

Als Sandsteine bezeichnet man Festgesteine, die aus kantigen bis gerundeten Körnern zwischen 0,063 mm und 2 mm Durchmesser bestehen. Mit dem Begriff Sand wird also nicht ein bestimmtes Material, sondern nur die Korngröße beschrieben. Das Material (d.h. die Minerale), aus dem der Sand besteht, kann verschieden sein. Häufigstes Mineral ist der sehr harte und verwitterungsbeständige Quarz (SiO2).

Sandsteine sind Ablagerungs- oder Sedimentgesteine. Der Sand entsteht bei der Verwitterung und Zerkleinerung von anderen, vorher gebildeten Gesteinen. Er wird durch Wasser oder Wind zu seinem Ablagerungsort transportiert und dort Schicht für Schicht abgelagert. Unter dem zunehmenden Druck der aufliegenden, jüngeren Ablagerungen wird das Lockersediment zusammengepresst, entwässert und schließlich verfestigt. Diesen Vorgang nennt man Diagenese.

Die Quarzsandsteine der Umgebung haben ihren Ursprung in der Zeit des Devons vor über 400 Millionen Jahren. Sie entstanden aus sandigen Ablagerungen großer Flüsse, die damals vom im Norden gelegenen Old Red-Kontinent große Mengen an Sedimentfracht in das Devonmeer brachten.

Bedeutende Fossilfunde

Die hiesigen devonzeitlichen Sandsteine sind meist fossilarm. Hier und da erkennt man spärliche Fossilreste in den Sandsteinen am Kirchenbau. Beim Bau der ICE-Trasse wurden jedoch ganz in der Nähe bedeutende Fossilfunde gemacht, die meist aus feinkörnigeren, eher tonigen Gesteinslagen stammen, welche sich mit den Sandsteinschichten abwechseln. So konnten insbesondere zahlreiche Reste von Gliederfüßern geborgen werden, die nur sehr selten als Fossilien überliefert sind. Gefunden wurden Seeskorpione, Reste von eigentümlichen Tieren, die sowohl Merkmale von Seeskorpionen als auch von Pfeilschwanzkrebsen aufweisen, ein Rest eines tausendfüßerähnlichen Gliederfüßers und die ältesten im Rheinischen Schiefergebirge nachgewiesenen Spinnentiere. Mehr dazu erfährt man am Geo-Punkt Devon-Platz in Krunkel-Epgert.


Fotos zur Sandsteinkirche in Fernthal



Verfasser: Christoph Eul und Roger Lang
Stand: 6/2022