Villa Justus Kraemer (Kirchen)

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Villa Justus Kraemer (Kirchen/Sieg)
Infopunkt am
Historischen Spazierweg Kirchen
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Steckbrief
Andresse: Hauptstraße 25
57548 Kirchen
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An dieser Stelle war in früheren Zeiten der Gerichtsplatz von Kirchen.

Dr. med. Daniel Jung (1801-1858), ein Enkel des Baumwollspinnereibesitzers Johann Christian Jung, beginnt seine Darlegungen über das „letzte hochnotpeinliche Halsgericht in Kirchen“ mit folgender Beschreibung des Gerichtsplatzes:
„Der Gerichtsplatz in dem Orte Kirchen befand sich da, wo in dem Gärtchen des Gustav Jung die Linde steht, bei welchem noch vor etwa fünfzig Jahren auch ein Pranger mit Halseisen und Fußschellen zu sehen war. Hier wurde am 11. März des Jahres 1785 das letzte hochnotpeinliche Halsgericht gehegt.“

Anlässlich dieses Ereignisses sollen 6000 Teilnehmer der auf der oberhalb des Ortes gelegenen Anhöhe der „Pracht“, dem Galgenberg, der an die Verurteilung sich anschließenden Hinrichtung beigewohnt haben.

Nach der Statistik von 1787 wohnten in der heutigen Gemeinde Kirchen 1.310 Menschen und im gesamten Oberkreis Altenkirchen, also den späteren Bürgermeistereien Kirchen, Betzdorf, Daaden und Gebhardshain etwa 11.500 Menschen.

Nach jahrelangen Streitereien wurde Lorenz Jung, ein Sohn des Johann Christian Jung, im Jahre 1816 Besitzer des Gerichtsplatzes und erbaute dort ein Wohnhaus.

Karl Franz Heinrich Sames (1799-1863) der Kreisgerichtsrat, verheiratet mit Eleonore Stein (1815-1870) baute im Jahre 1861 diese Villa, nachdem im Jahre 1756 das Amtsgericht von Freusburg nach Kirchen verlegt worden war.

Dies Haus wurde 1870 Eigentum des Justus Kraemer (1845-1875), der mit Emma Jung (1849-1913) einer Schwester des Arnold Jung verheiratet war. Die Eltern von Arnold und Emma, Gustav und Bertha Jung lebten auch in dieser Villa, bis sie im Jahre 1872 ins Haus Jungenthal zogen.

Justus betrieb mit seinem Bruder Heinrich Kraemer, dem späteren Bürgermeister von Kirchen, die Pulverfabrik in Euteneuen und die Elektrizitäts- und Wasserwerk-AG auf den Siegwiesen „Im Sand“.

Justus starb im jungen Alter an „Auszehrung“ bzw. Tuberkulose. Die Villa wurde weiterhin von seiner Frau bewohnt und ging an die Familie Jung über.

Der Gerichtsplatz blieb noch Jahrzehnte durch die Gerichtslinde in der Erinnerung der Kirchener Bürger. Im Herbst 1953 schreibt die Zeitung:
„Vor etwa 30 Jahren wurde die unter Naturschutz stehende mehrhundertjährige Dorflinde, die auch mit dem breiten Ledergürtel als Ausdruck alten deutschen Rechts versehen, zugleich Gerichtslinde war, aus einer augenblicklichen Erregung eines landfremden Mannes heraus gefällt.“
Es handelte sich wahrscheinlich um Paul Emil Roth, der als Ingenieur bei der Fa. Jung beschäftigt war.

Einer anderen Geschichte nach fällt die Linde einem Unwetter mit Sturm und Regen im Jahre 1920 zum Opfer.

Verfasser: Dr. Johannes Pfeifer, Kirchener Heimatverein e.V.

Verwendete Literatur

Hebel, Ulrich:
Freusburg als Gerichtsort (Teil 2). Kirchener Heimatblatt 2016, Nr. 32, S. 17

Leginger, Thomas:
Kirchen an der Sieg damals und heute. Europäische Bibliothek Zaltbommel/Niederlande. ISBN 90 288 4695 6/CIP. 1988, S. 5 u. 31

Leginger, Thomas:
Kirchen in alten Ansichten. Band 2. Europäische Bibliothek Zaltbommel/Niederlande. S. 38

Plate, Henning:
Kaum zu glauben. Kirchener Heimatblatt 2021, Nr. 37, S. 12

Solbach, Benno:
Die Entwicklung Kirchens. (Teil 6). Heimat-Jahrbuch AK 1985, S. 93

Stahl, Thorsten:
Kirchen wie es früher einmal war. Band 1. 2002. Millionäre blieben beim Heiraten unter sich. S. 53

Stahl, Thorsten:
Kirchen wie es früher einmal war. Band 1. 2002. Für Heinrich Kraemer hielten die Schnellzüge. S. 57

Stahl, Thorsten:
Kirchen wie es früher einmal war. Band 2. 2005. Nach dem Todesurteil gab es Quellkartoffeln. S. 33

Stinner, Werner:
Geschichte von Kirchen. Eigenverlag 1993, S. 128

Stinner, Werner:
Verkauf des Gerichtsplatzes zu Kirchen im Jahre 1816. Kirchener Heimatblatt 1994, Nr. 10, S. 8

Stoessel, Heinz:
Ein Spaziergang durch Kirchen (Teil 2). Kirchener Heimatblatt 2003, Nr. 19, S. 3

Thomas, Rolf-Hermann:
Kirchen in alten Ansichten. Europäische Bibliothek Zaltbommel/Niederlande. S. 7